Provence – Anfang April – in Malaucène am Fuße des Mont Ventoux. Hier ist schon richtig Frühling. 13 Mitglieder des Boule Club Rheingau und Angehörige haben sich aufgemacht in das Mekka des Pétanquesports. Aber es gibt hier viel mehr, als nur mehr oder weniger nutzlos Eisenkugeln durch die Gegend zu werfen. Das Wetter ist mit uns und so können wir unser vorbereitetes Programm gut durchziehen. Aber was macht man nun konkret um diese Zeit in der Provence?
Nun, morgens um 7:00 Uhr, man ist noch nicht richtig wach, klackert es schon – das darf doch nicht wahr sein, die Jungs spielen schon auf dem Bouleplatz direkt vor den Appartements. Selbst der Bäcker hat noch nicht geöffnet. Vor der Boulangerie treffen sich die „Beauftragten zur Beschaffung des Frühstücks“. Ein oder zwei Croissant, mit ein wenig Chocolade, dazu ein Baguette – aber was nützt das alles, wenn der Supermarkt noch geschlossen hat und es noch keine Marmalade, Butter oder was man sonst noch auf eine Frühstücksunterlage platzieren könnte gibt? Aber schließlich ist man in Frankreich und so lädt Dietrich Walter, statt einfach nur zu warten, auf einen Cafe Creme im Bistro nebenan ein. Handwerker scheinen hier nicht Wichtigeres zu tun zu haben, als einen Kaffee vor dem Dienstbeginn zu trinken. Man sollte sich das merken.
Selbstversorgung in einer Ferienhaussiedlung – übrigens sehr schön – ist eine feine Sache —- grundsätzlich — wenn man allerdings an Zucker, Honig usw. denkt, aber den Tee vergisst, werden schon mal die Gesicher lang. Aber schließlich gibt es einen Mitbewohner, der uns nicht nur den Kaffee und den Filter leiht, sondern gleich den fertigen Kaffee kocht. Es gibt halt einfach nette Menschen und hier lernt man sie auf besondere Weise kennen.
Erster touristischer Höhepunkt ist der Besuch der Fontaine-de-Vaucluse – die Quelle der Sourgue und gleichzeitig die größte Süßwasserquelle Europas. Das im Marco Polo oder einem sonstigen Reiseführer zu lesen, ist eine Sache – das zu sehen ist eine andere. Hier eine imposant hohe Felswand – Schätzungen bewegen sich zwischen 60 und 150 m senkrecht in den Himmel (irgendwo kann man sicher nachlesen, wie hoch die Felswand wirklich ist) – und direkt vor dieser Felswand ein großer Quellkessel. Nein, das Wasser steigt nicht sichtbar sprudelnd aus dem Untergrund, sondern es liegt vor uns ein eher ruhiger Wasserkessel von beträchlichen Ausmaßen. Aus diesen Wasserkessel bildet sich ein Fluß, der bereits nach wenigen Metern ein Fluß und nicht wie an vielen anderen Flußquellen ein armseliges Rinnsal ist. Bereits nach 200 – 300 Meters stehen am Fluss die ersten Angler – kaum zu fassen und die baden nicht nur ihren Wurm im klaren Quellwasser. Sehen und Staunen – mehr kann man dazu nicht sagen.
Staunen war auch angesagt am Pont Julien. Eine Brücke über den Fluß Cavalon, gebaut vor ca. 2.000 Jahren. Erstaunlich – die Brücke hält noch immer und nach den Erfahrungen mit modernen Brücken mag man vermuten, dass diese Brücke länger halten wird, als die nebenan jüngst erbaute moderne Entlastungsbrücke.
Ein Teil der Mannschaft setzte dann das Vorhaben um, über den Gipfel des Mont Ventoux zurück nach Malaucène zu fahren. Die Straße, vom Navi des Autos ausgesucht, war etwas herb, wie die ganze Landschaft in der Provence. Aber nach ca. 20 km engster Fahrbahn und heftigen Schüttelns erreichte man von Osten kommend die Talstation des Lifts. Unterwegs, an einem „Viewing Point“ (nein das ist ja viel weiter westlich so benannt), konnte man bis in die schneebedeckten Gipfel der französichen Alpen blicken. Völlig klare Sicht an diesem sonnenreichen aber auch windreichen Tag. Leider waren dann die letzten Meter über den Gipfel nicht passierbar und deshalb gesperrt. Also hieß es über die Alternativroute runter nach Malaucène – im Durchschnitt mit 10 % Gefälle. Gipfel leider nicht erreicht, aber trotzdem absolut beeindruckend.
Nach einem teilweise harten Abendprogramm – das geplante Grillen wurde ins Zimmer verlegt (dank Elektrogrill kein wirkliches Problem) und einer nachfolgenden Boulepartie, die nur mit Einschaltung eines Blindenhundes zu einem glücklichen Ende hätte gebracht werden können – kehrte im Dorf endlich Ruhe ein, bis auf den einen oder anderen befriedigten Schnarcher.
Vier Stunden geplanter Rundgang über den Markt von Vaison la Romaine – ist das nicht viel zu viel? Bevor wir diese Frage ernsthaft angehen konnten, haben wir erst mal den zweiten Geburtstag in dieser Woche peinlichst verpasst, weil man ja in Urlaub den Kalender nicht immer wirklich im Kopf hat. Aber nach dem ersten Teil des Marktrundgangs, der erhebliche Anforderungen an die Kondition stellte, dämmerte dann beim gemeinsamen Kaffee, dass man sich wohl doch um einen Tag vertan hatte. So haben wir dann schon mal auf das Geburtstagskind einen Kaffee getrunken, ohne es so richtig zu merken: Deshalb hier, herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, liebe Christel!
Welche Vorstellung hat man von einem Markt? Nun, man kann als Rheingauer Märkte Kennender, gerne all seine gewohnten Maßstäbe vergessen. Hier ein Markt hat einfach eine andere Dimension. Und so lernt man sehr schnell, dass vier Stunden eine eher knapp bemessene Zeit sind, weil dann die ersten Standbetreiber schon wieder Einpacken und man immer noch nicht alles gesehen hat. Einen Vorteil hat die begrenzte Zeit allerdings: Der Kontostand, entweder in Form von Barem in der Geldbörse oder auf anderem Wege auf dem Konto wird geschont. Hinreichend angestrengt, wendet man sich dann dem Nachmittagsprogramm zu.
Beaumes-de-Venise stand auf dem Programm und dort wollten wir Boule spielen. „Rentnerboule“ – so stand es im Programm. Erstaunlich – wir haben trotz 2 1/2 Jahre zurück liegender dunkler Erinnerungen der Reiseleitung den Park- und Bouleplatz ohne jeglichen Ansatz einer Ehrenrunde durch den Ort gefunden. Dieser glückliche Umstand verschaffte uns eine Kaffee-, Eis- und Bierpause in einer nahegelegenen Bar vor dem Beginn der Einschreibung. Die Nachfrage von Gerhild hatte bereits erbracht, dass hier nun doch nach Lizenzen gefragt wurde und außerdem das Startgeld von ein oder zwei Euro vor zwei Jahren auf inzwischen fünf Euro angestiegen war – ist halt alles etwas teurer geworden. 38 Spielerinnen und Spieler hatten sich eingetragen. Melée A-B- ko war angesagt. Das war für weniger Turniererfahrene noch etwas zu erläutern, ebenso wie der Umstand, dass es kein „AUS“ gibt. Kurzum: im B-Finale erlebten wir, wie man mit „Ballern“ gegen die Holzbegrenzung locker den fehlenden Punkt machen kann. Für die „Carrée-Spieler“ bei uns zu Hause sicher eine völlig neue Erfahrung – aber deswegen sind wir schließlich (auch) hier.
Einschreiben für die zwölf mitgereisten Rheingauer und Ehren-Rheingauer. Dann gelost und man spielte mit den Alt-Eingesessenen – außer Christel und Dietrich, denen das Los die Gunst erwies, ein reines Rheingauer Team zu bilden. Alle anderen mussten sich, ebenso, wie Ihre französischen Partner, mit dem Sprachproblem auseinander setzen. Außer Gerhild: Sie blühte auf in der Anwendung der französischen Sprache und wurde von vielen von uns deswegen sicher beneidet. Sie wurde aber auch in der Auslosung belohnt, indem ihr Jean, der auf dieser Webseite schon einmal lobend erwähnt wurde, zugelost wurde.
Während die Gewinner der ersten Runde schnell die Erfahrung machten, dass eben doch oft die ersten Pflaumen madig sind – sprich: in der zweiten Runde des A-Turniers bereits Endstation war, kamen Moni mit Ihrem Partner und Gerhild mit Jean ins Halbfinale des B-Turniers oder der Consolante. Moni, eine der wenigen Schießerinnen – sowohl weiblichen Geschlechts als auch aus Allemangne kommend – kam mit Ihrem Partner, einem reinen Leger, in der Halbfinalpartie auf schwierigem Terrain auf 12 Punkte – leider hatte der Gegner zu diesem Zeitpunkt 13. Schade – war ein tolles Spiel, das von vielen Zuschauern beobachtet wurde, während das A-Finale fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgetragen wurde.
Im B-Finale – in überaus interessierter Weise unterstützt von den Zuschauern aus dem Rheingau – bemühte sich Gerhild mit Jean um eine gute Partie. Aber das Gelände, das schon bei vielen Anderen vorher die Grenzen offengelegt und respektvolle Bewunderung hervorgerufen hatte, war der dritte Mitspieler im einheimischen Doublette. Auch Jean’s immer wieder beruhigende Bemerkung „reparable“ half jetzt nicht mehr weiter. Für Gerhild und Jean blieb an diesem wunderschönen Turniernachmittag nur der 2. Platz in der Consolante. Geehrt wurde Sie wegen Ihres guten Spiels und stellvertretend für die große und freundliche Truppe der Rheingauer Boulespieler außer der Reihe mit einem prächtigen Pokal. Ein Drink zum Abschluss und dann wurde nicht nur die kleine Bar am Bouleplatz in Beaume-de-Venise geschlossen, sondern auch wir mussten so langsam zurück in unsere Unterkunft – wir wollten ja schließlich noch ein wenig Geburtstag feiern, was wir dann auch getan haben.
Schön war’s und für morgen haben wir schon unser Programm ein wenig geändert – gegen das Boulefieber hat halt eine Weinprobe in einem tollen Château nicht wirklich eine Chance. Also dann – Papstpalast in Avignon (unverzichtbar), die Boulehalle in Le Pontet und danach ein kleines internes Spiel auf dem Platz an der Quelle (allen Malaucène-Insidern hinreichend bekannt). Danach werden wir dann die Vervollständigung unseres Teams auf 14 Mitgliedern sicher in gebührender Weise feiern.