Kultur und Boule

Vor diesem prächtigen Palais der Päpste von Avignon stehen sogar Elefanten kopf. Avignon, die Stadt der Päpste im 14. Jahrhundert, stand am Mittwoch auf dem Programm. Der erste Eindruck: In dieser Stadt stoßen auch moderne Navigationssysteme (oder ihre Anwender) an Grenzen. Nach einer, wie wir später feststellten, völlig unnötigen Tour durch die Altstadt fanden wir die riesige, von Kennern der Stadt empfohlene Tiefgarage direkt unter dem Place du Palais. Nur wenige Treppenstufen nach oben und wir standen direkt vor dem Palais des Papes. Absolut beeindruckend. Ein Teil der Gruppe entschloss sich zu einer Führung im Palais. Die imposante Größe der Räume, deren Einrichtung nach den Schilderungen erst in den folgenden Jahrhunderten nach und nach geplündert wurden, lässt aber immer noch ahnen, welche Pracht hier seinerzeit entfaltet wurde.

Als Lied (Sur le pont d'Avignon) ging sie um die Welt, die Brücke von Avignon. Der andere Teil der Gruppe besuchte den zwischen Papstpalast und Rhône gelegenen Park Rocher des Doms. Es eröffnete sich ein atemberaubender Blick über die Rhône mit der berühmten Brücke von Avignon zu Füßen des Palaisfelsens, weiter über die Stadt bis hinüber zum beeindruckenden Panorama des Mont Ventoux. Die völlig klare Sicht tat ein übriges, diesen Blick zu einem Erlebnis werden zu lassen. Gut, dass die Fotoapparate nicht mehr auf 24-er oder 36-er Filme limitiert sind.

Anschließend ein Bummel durch die Fußgängerzone von Avignon, die so strikt nun wieder nicht den Fußgängern vorbehalten ist. Aber Boutiquen für alles, was man irgendwie anziehen kann – oder auch nicht – bis hin zu einem Laden mit sündhaften Süßigkeiten, insbesondere viele verschiedene Arten von Nougat, zu ebenfalls sündhaften Preisen. Aber, man gönnt sich ja sonst nichts! Noch ein Café am Straßenrand, eine Kirche besichtigt und langsam zurück zum Auto. Kaum zu glauben, was hier abläuft, wenn sich in jedem Sommer Unmengen von Touristen einfinden; allein den Papstpalast besichtigen ca. 600.000 Besucher jedes Jahr. Wir haben es gut erwischt, die Anzahl der Besucher hält sich noch in Grenzen und das bei bereits bestem Wetter.

Auf dem Rückweg von Avignon nach Malaucène machen wir einen Abstecher nach Le Pontet, einem nördlichen Vorort von Avignon. Unser Interesse gilt dort einer von allen Seiten gerühmten Boulehalle. Wir haben Glück. Dort findet heute ein Turnier statt. Ein unglaubliches Gewusel im Vorraum und dann eine überaus beeindruckende Halle. Wir haben es verglichen mit 3-Feld-Tennishallen in Deutschland und kamen zu dem Schluss, dass selbst diese Größe locker übertroffen wird. 3 x 11 Felder, wovon „nur“ 32 ausgezeichnet sind. Über ein Meter dicke Schichtholzträger / Leimbinder überspannen die Halle, die ohne jegliche Säule auskommt. Unglaubliche Dimensionen. Derzeit sind nur einige Teams dabei, sich einzuspielen und trotzdem herrscht ein unbeschreiblicher Lärmpegel. Bezüglich der Lärmdämmung / -minderung kann man hier durchaus noch etwas verbessern – dass ist aber auch so ziemlich das Einzige, was hier zu verbessern ist. Auch die Turnierleitung des gerade beginnenden Turniers ist in dieser Form für uns ungewohnt. Alle stellen sich diszipliert hintereinander an, geben Ihre Lizenz und Ihr Startgeld ab und warten auf die Auslosung zum Melèe, der überaus verbreiteten Turnierform hier in der Provence und vermutlich auch darüber hinaus in Frankreich. Nach diesen tollen Eindrücken, von denen Bilder noch nachgeliefert werden, sind wir eingestimmt auf ein kleines Spielchen mit den Eisenkugeln und fahren erwartungsfroh weiter in Richtung Malaucène.

Der traumhaft schöne Platz an der Quelle oberhalb von Malaucène, an der Straße zum Mont Ventoux ist ein Paradies für entspanntes Boulespiel. So ein Bummel durch Avignon schlaucht. Deshalb fällt das Programm an diesem Mittwoch gegenüber der Planung deutlich schmaler aus. Wir verabreden uns für den Nachmittag zum Boulespiel an der Quelle oberhalb von Malaucène – ein Ort, den jeder Boulespieler, der einmal in Malaucéne war, sicher kennt. Wir sind fast allein. Nur wenige Einheimische holen sich Wasser an der Quelle – schmeckt übrigens vorzüglich. Gespielt wird auf dem Platz unter den Bäumen, vorwiegend Platanen, die zu dieser Zeit aber noch kein schattenspendendes Laub haben – das allerdings wäre durchaus schon von Vorteil. Der Platz bietet alle Schwierigkeitsgrade: flache Stellen mit leichtem Split, grasdurchsetzte Inseln um die Bäume und Schotterstellen am Rande des Platzes. Entsprechend den Gebräuchen hier in Frankreich spielt man absolut ohne jede Begrenzung frei über den gesamten Platz – AUS gibt es fast nicht, nur in Sonderfällen für das Schweinchen.

Hier zeigt sich, wer bereits fleißig geübt hat und wer sich mit solchem Gelände noch ein wenig auseinandersetzen muss. Aber es ist eine sehr gute Erfahrung hier zu spielen: Spieltechnisch wegen des anspruchsvollen Geländes und vom Wohlbefinden wegen der wirklich traumhaften Umgebung an diesem Platz. Es wäre schön, wenn es uns gelänge, einen solchen oder zumindest ähnlichen Platz bei uns zuhause zu finden.