Boule in der Provence – für uns in Deutschland ein Traum – hier in der Provence eine absolute Alltäglichkeit. Bouleplätze in Dimensionen, die wir uns kaum vorstellen können. Malaucéne, ein nicht sehr großer Ort am Fuße der Mont Ventoux, verfügt über ein Boulodrôme mit 64 Bahnen und zusätzlich noch ein paar andere Boulespielmöglichkeiten. Im Boulodrôme sind alle Plätze mit Kalkschotter und Kalksplit gebaut – ein toller Bodenbelag und sehr viel schwerer zu spielen, als es auf den ersten Blick aussieht. Nur 8 km weiter in Caromb gibt es ebenfalls ein Boulodrôme, ebenfalls 64 Bahnen und noch ein paar Reserveplätze. Auf dem Platz eine leichte Auflage mit kleinen Kieselsteinchen, so wie wir es von unserem Platz im Mittelheim kennen. Nur der Kies ist an vielen Stellen weggespielt und harter Unterboden stellt wiederum andere Ansprüche an den Leger.
In der Appartementanlage Arts & Vie in Malaucéne sind wir hervorragend untergebracht. Weil es in der Gegend anscheinend nicht genug Bouleplätze gibt, hat man uns liebenswürdiger Weise eine Bouleplatz (ca. 20 x 10 m) direkt vor unsere Ferienwohnung gebaut. Und 50 m hinter dem nächsen Haus eine weiterere Boulebahn. Auf dem Platz vor dem Haus treffen wir Klaus aus Mainz, Leo und Chistine aus Ludwigshafen, Hartmut aus Konstanz und Reimer aus Ahlfeld und viele andere. Herbstzeit in der Provence und in dieser Anlage ist offensichtlich Boulistenzeit.
Für uns, die wir zum ersten Mal hier sind, gilt: Morgens ab 9:30 Uhr Training mit Klaus Mohr; mittags ein wenig Ausruhen, ab 14:30 Uhr wieder Boule – Üben auf dem Platz im Boulodrôme, ein Spiel an der Quelle oder einfach mal so zum Turnier in Beaumes de Venise, einem Ort, kurz mal über den Pass. Oder aber einfach nur in der Appartmentanlage ein kleines Spiel vor dem Haus. Hoffentlich werden wir dabei des Boulespiels nicht überdrüssig.
Ein wunderschöner Platz befindet sich nur 2 km außerhalb von Malaucéne auf dem Weg zum Mont Ventoux. „An der Quelle“ nennen es alle Bouler. Mit Hartmut und Reimer waren wir dort zum Spiel und am nächsten Morgen zum Training mit Klaus. An der Quelle, die direkt aus dem Felsen kommt, holen sich den ganzen Tag viele Leute Trinkwasser. Wir wollen hier im Moment nur Boule spielen. Riesige Bäume, ein kleiner See vor der Quelle und viel bereits gefallenes Herbstlaub sorgen für Kühle und etwas feuchte Frische. Ist das bemerkenswert? Ja, waren wir doch einen Tag zuvor auf dem Bouleplatz in Caromb in der prallen Sonne und bei einer Temperatur die im Schatten schon locker 25 Grad hatte. In der Sonne war es wie im Süden – ach so, da sind wir ja auch.
Das Spielgelände an der Quelle ist ein Gedicht: einfache Böden, aber auch steinige Areale mit Felseninseln und leichte Gefälle. Alles was man zum Üben braucht. Platz ist genug und so spielen wir auch mal eine Tour rund um die Bäume – Klein Bacharach bis Kullerplatz, alles dabei.
Klaus empfiehlt, neben den Kursstunden zusätzlich auch allein zu üben. Mittwochnachmittag, ich wollte ein wenig üben. Ich ging zum Boulodrôme von Malaucéne und suchte mir eine der 64 Bahnen aus. Ein paar Linien und Kreise auf dem Boden markiert und schon konnte es losgehen. Kampf dem Durchlegen – so das Motto der Übungseinheit. Es dauerte nicht lange und meine einsame Übungsstunde bekam Zuwachs. Roland, ein netter älterer Herr aus dem Ort kam und fragte, ob wir ein Spiel machen wollten. Er sprach ein ganz klein wenig Deutsch – jedenfalls mehr als ich Französisch. Ich erklärte, dass ich spezielle Übungen trainieren wolle. Er bat darum, mitmachen zu dürfen. Kann man ja nicht ablehnen. So übten wir noch ein paar Minuten zu zweit – dann war ein Tête-à-Tête doch reizvoller. Also, nichts mehr mit gezieltem Üben – dafür jetzt ein nettes Spiel. Nebenbei erhielt ich noch eine kleine Französisch-Lektion. Es war wirklich nett und den Sieg haben wir uns in zwei Spielen gerecht geteilt.
Im „Camp“, unserer Appartement-anlage in Malaucéne, wird immer wieder geschwärmt von einem Nachmittagsturnier unter netten Leuten in Beaumes de Venise. Am Donnerstag haben wir uns verabredet, dort in großer Zahl gemeinsam hin zu fahren. Im Konvoi gibt es keine Irrfahrten. Die Einschreibung läuft ausgesprochen locker und Klaus aus Mainz hilft den Neulingen. Man spielt hier Melée, d.h. an jedem Nachmittag, so man will, einen neuen Spielpartner. Ein Euro Einsatz je Spieler hält auch den finanziellen Aufwand in Grenzen. Laif wird Hartmut, dem Nachbarn aus der Wohnung über uns, den er bereits von Turieren aus Kassel kannte, zugelost – also keine Kontaktprobleme. Walter bildet mit Jean ein Team. Jean ist sehr schlanker, recht großer, schon etwas älterer und offensichtlich nur zu langsamem Gehen befähigter sehr netter Franzose. In der ersten Partie sind wir Beide gegen Yves und Klaus gelost. Jean entpuppt sich als ein toller Tireur – eine Trefferquote, wie wir sie bei uns im Rheingau selten sehen und das auf eine Art, bei der ein Carreau schon fast zum Standard gehört. Macht Spaß mit ihm zu spielen, weil er auch Fehler mit großer Nachsicht hinnimmt. Dass wir in einer ausgeglichenen Partie nach 12:11 Führung noch 12:13 verlieren, ist einfach nur Pech oder dem Umstand geschuldet, dass ich einfach das teilweise schwierige Gelände noch nicht kenne. In den folgenden Partien – wir sind nach der Auftaktniederlage im B-Turnier – gewinnen wir hoch: 13:1 und 13:3. Jean macht mir klar, dass er jetzt nach Hause müsse. Aber er besorgt mir noch einen Spielpartner: Yves, gegen den wir in der ersten Partie verloren haben, ist inzwischen ausgeschieden und deshalb frei. Also spielen wir zusammen. Auch mit Yves ist mir ein weiterer Sieg beschieden – läuft irgendwie gut an diesem Nachmittag. Nun klärt Klaus mich auf, dass diese Partie das Finale im B-Turnier war und ich nun das B-Turnier gewonnen habe. Ich bin verblüfft. Na ja, ausgeprägte Sprachkenntnisse hätten vielleicht geholfen, aber es lief alles so unspektakulär, dass man schlicht auch mal ein Finale „übersehen“ kann. Nun ja, so haben wir beide 12 Euro gewonnen – also für jeden 6 Euro (klingt nicht viel, aber vor dem Hintergrund eines Startgelds von nur einem Euro und 28 Teilnehmern an diesem Nachmittag eine ganze Menge) und damit mein erstes Preisgeld bei einem Turnier in Frankreich. Schön war’s, nette Leute, gute Boulespieler, an denen wir uns zuhause wohl die Zähne ausbeißen würden und ein Nachmittag, der einfach nur Spass gemacht hat.
Anschließend sind die Kursteilnehmer bei Klaus zum Drink eingeladen. Der Verspätungsgrund (Gewinn in Beaumes de Venise) wird akzeptiert und wir haben noch einen wunderbaren Abend: Nicht nur einen Drink sondern auch noch einen kleinen Imbiss hat Klaus vorbereitet. Das Haus, die Gastfreundschaft, die Gespräche – schon etwas Besonderes. Wir sind beeindruckt.
Liebe Rheingauer Boulefreunde,
hier kann man es aushalten. Bereits nach wenigen Tagen habe ich verstanden, warum es viele Spieler aus unserem näheren und weiteren Umfeld immer wieder hierher zieht. Der Herbst scheint eine ideale Zeit für einen Aufenthalt in der Provence solange das Wetter mitmacht und das soll die Regel sein – so wird uns zumindest berichtet. Ich denke, dass wir nicht zum letzten Mal hier waren. Aber bis wir darüber nachdenken, genießen wir erst einmal den Rest unseres Aufenthalts und bedauern inständig all die, die nicht mitkommen konnten.
Aber nun genug lange Nase gemacht – herzliche Grüße aus der Provence senden Euch
Laif und Walter.