Beeindruckend: 19. Holstentorturnier in Travemünde

Faszinierend: Das zentrale Turniergelände während der Finalspiele am Samstagabend. Das war eine wirklich beeindruckende Woche in Travemünde mit einem tollen Bouleturnier-Wochenende zum Abschluss. Eins vorweg: Travemünde 2010 war in jeder Hinsicht eine Reise wert!

Am Montagnachmittag der Woche vor dem 19. Holstentorturnier waren Inge und Walter bereits in Travemünde eingetroffen. Bereits Anfang März hatten sie sich zu diesem inzwischen größten Bouleturnier in Deutschland angemeldet. Nur für ein Wochenende nach Travemünde zu fahren ist einfach zu schade. Also hatte man beschlossen einen Kurzurlaub rund um das Turnier zu machen und für diesen Zweck eine Ferienwohnung gemietet.

Die gleiche Idee hatten viele andere Boulespieler. Als Inge und Walter am Nachmittag noch auf einen Kaffee an der Vorderreihe, der Promenierstraße in Travemünde saßen, liefen mit Harry und Marcello zwei alte Bekannte vorbei, die mit großem Hallo begrüßt wurden. Einen Tag später lief man Ellen und Rolf aus Rockenhausen über den Weg, die gerade nach längerem Stau auf der Autobahn angekommen waren. Auch Annette und Jens waren schon da. So langsam trudelte die Boulegemeinde ein und für viele führte einer der ersten Wege zum Turniergelände an der eindrucksvollen Kur-/Seepromenade, wo in der Woche vor dem Turnier mit zunehmender Beteiligung bereits Boule gespielt wurde. Viele hatten aber auch ein Fahrrad dabei oder liehen sich vor Ort ein Vehikel und erkundeten in gemächlicher Fahrt die Gegend um Travemünde.

Früh am Morgen, die Auslage im Schaufenster ist noch nicht bestückt - einer der wenigen Momente, in denen dieser Laden leer ist. Ab und an musste aber auch die körperliche Leistungsfähigkeit durch Nahrungszufuhr gesichert werden. Das ist in einem Ort wie Travemünde für eine bestimmte Sorte von Genießern ein wahres Vergnügen. Seefisch in den verschiedensten Variationen und in unterschiedlichen Preislagen – aber immer frisch und lecker. Ob Krabbensuppe oder Fischsuppe bei Segel-Peter im Fischhus oder der Fischfiletteller in der Fischbratküche oder die leckeren Räucherfische oder Fischsalate bei Fisch-Wöbke, deren Laden bei unserer Ferienwohnung um die Ecke nur zweimal am Tag leer war – vor der Öffnung und nach der Schließung. So kann man sich ohne Probleme eine ganze Woche lang gesund mit Seefisch ernähren und dabei trotz einer gewissen Einseitigkeit viel Abwechslung genießen.

So sieht es aus, wenn ein Fährschiff direkt vor dem Wohnzimmer vorbeifährt. Ein besonderes Highlight war die Lage unserer Ferienwohnung direkt an der Trave. Der mehrmals täglich gebotene Anblick der ein- und auslaufenden Fährschiffe war einfach imposant. Man hatte den Eindruck, die Schiffe führen am Ende des Wohnzimmers vorbei. Am letzen Tag legte abends direkt vor unserem Wohnzimmerfenster das Kreuzfahrtschiff „Deutschland“ (das „Traumschiff“ aus der gleichnamigen ZDF-Serie) an. Mit großem Bahnhof, Musikempfang auf der Festmeile zum Hafenfest an diesem Wochenende in Travemünde. Es wurde also viel geboten in dieser Woche in und um Travemünde.

Solchermaßen eingestimmt waren wir ab Freitag – inzwischen war auch Reiner eingetroffen, mit dem wir am Sonntag in der Triplette-Formation spielen wollen – bereit, wieder zu den Boulekugeln zu greifen und uns auf dem Gelände rund um Brüggmanngarten einzuspielen. War es die Entspannung in der zurückliegenden Woche oder einfach nur ein guter Tag? Wir spielten mit Martina aus Bremen sowie Iris und Martin aus Osnabrück ein „unechtes Triplette“ (2 gegen 3) und waren dabei als Leger überwältigend gut. Dabei bestätigte sich eine eigentlich einfache und alte Erkenntnis: Mehrfach sehr gut legen, um den guten Schießer „leer“ zu machen ist eine durchaus gute Strategie. Mit dem Glücksgefühl und der Bestätigung durch das gelungene Spiel konnte der Turnierstart am nächsten Morgen kommen.

Bereits in der Nacht ab 3 Uhr regnete es in Strömen. Dazu Wind, dass der Regen lautstark gegen die Fensterscheibe prasselte. Zuhause wären wir niemals auf die Idee gekommen, bei diesem Sauwetter zum Boulespiel zu gehen. Aber hier? Mit uns hatten sich 512 Teams für den Start zum Doubletteturnier am Samstag (lizenzfreies Turnier) angemeldet und die Meldeliste war schon seit März voll. So war es keine Überraschung, dass am Samstagmorgen trotz fortdauernden Regens am Treffpunkt unter dem Zeltdach ein großes Gedränge herrschte. Keine langen Vorreden, keine Einschreibeformalitäten mehr (die waren durch die Anmeldung im Internet erledigt und das Startgeld war per Überweisung gezahlt) – die Vorrunde mit zwei Spielen je Team war bereits ausgelost und die zugewiesene Bahn dem Aushang zu entnehmen. Reiner Kitzmann bildete mit Rainer Mayer aus dem Saarland ein Team und Inge und Walter das zweite Team. Wir hatten Glück: Unsere zugewiesene Bahn lag etwas außerhalb des Brüggmanngarten und der Strandpromenade auf einem Parkweg unter hohen Bäumen. Deren Blätterdach war zwar nicht dicht, aber der Regen traf uns nicht mehr ganz direkt und außerdem hatten wir einen gewissen Windschutz. Dafür war die Beschaffenheit der Bahn durchaus anspruchsvoll: Matsch und Pfützen wechselten mit größeren Flächen, an denen Schottersteine aus dem Wegbelag ragten. Hier war also genaues Treffen der geeigneten Donnée gefragt. Die beiden nebeneinander liegenden Bahnen bildeten jeweils eine Vorrundengruppe. Unsere Mitspieler von der anderen Bahn waren auch bereits da und so warteten wir gemeinsam auf unsere Gegner. Geduld war gefragt – aber bei diesem Wetter auch Verständnis für Verzögerungen aus den unterschiedlichsten Gründen.

Endlich konnte es losgehen. Unsere ersten Gegner machten gleich mächtig Eindruck auf uns – ein anscheinend recht sicherer Schießer und eine gute Legerin. Nun denn – Walter legte vor und Inge sollte schießen. Es lief prächtig und die Legepräzision vom Vortag setzte sich fort. War eine gut gelegte Kugel weggeschossen, wurde einfach wieder eine gleich gute Kugel gelegt. Nun waren auch unsere Gegner beeindruckt. Wenn man nicht gegen ein Team der absoluten Spitzenklasse spielt, braucht man bei dieser Konstellation nur auf die ersten Löcher des Schießers zu warten und die kommen so sicher wie das Amen in der Kirche. Die Legerin dann unter dem Druck nun unbedingt gut legen zu müssen, wurde ebenfalls zunehmend unsicher. Weil alle Vorrundenspiele beim Spielstand von 2:2 begannen, war diese Partie mit 13:6 sehr bald beendet und wir konnten wieder unter den Regenschirm. Dort warteten wir auf den Ausgang des Spiels auf der Nebenbahn. Endlich hatte das dort spielende Ehepaar, mit dem wir zuvor gemeinsam gewartet hatten, knapp mit 13:12 gewonnen und wir konnten im Spiel der beiden Gewinnerteams um den Verbleib im A-Turnier spielen. Auch in diesem Spiel lief es wunderbar und mit 13 : 5 gab es ein ebenso schnelles Ende wie in der ersten Partie. Endlich konnten wir wieder ins Trockene unter dem Zeltdach flüchten. Mit zwei Siegen und dem Verbleib im A-Turnier waren wir mehr als zufrieden. Auch Reiner und Rainer kamen mit zwei Siegen zurück. Jetzt konnte uns eigentlich nicht mehr viel passieren – der Einstieg war sehr zufriedenstellend und wir konnten entspannt der nun folgenden Begrüßungszeremonie der ausländischen Teams folgen.

Rechts die Villen mit Seeblick, in der Mitte die Seepromenade, links der Stand von Travemünde und im Hintergrund das Maritim-Hotel. Ein wunderbares Ambiente für ein Bouleturnier. Könnt Ihr Euch vorstellen, wie das bei Sonnenschein wirkt? Nachdem alle Grußworte gesprochen und die Gastgeschenke übergeben waren, konnte das Turnier weitergehen. Wir bekamen eine Bahn zugelost, die inzwischen etwa zur Hälfte von großen Pfützen bedeckt war. Uns erwarteten zwei ältere Herren, die nach sehr viel Bouleerfahrung aussahen. Das Gelände stellte sehr hohe Anforderungen und allein 5 Mal mussten wir in dieser Partie die bisher rein theoretisch betrachtete Regel vom schwimmenden Schweinchen anwenden. Sogar beim Auswerfen des Schweinchens musste geprüft werden, ob es in der Pfütze auf Grund lag (gültig) oder frei schwimmen konnte (dann ungültig). Auch unter diesen besonderen und ungewohnten Umständen konnten wir unser gutes Spiel vom Vormittag fortsetzen und führten immer bis zum 9:6. Dann lag die Zielkugel auf einem Rücken zwischen zwei Pfützen. Wir hatten die einzige Kugel auf dem Rücken und der gegnerische Schießer hatte sie verfehlt. Alle anderen Kugeln von uns und vom Gegner lagen links und rechts des Rückens in den Pfützen. Wollten wir zuviel oder waren wir einfach nur unaufmerksam? Jedenfalls gelang uns, was dem Gegner misslungen war: Wir spielten mit unserer letzten Kugel die auf dem Rücken liegende eigene Kugel an und die rollte samt der gespielten Kugel in die Pfütze. Bei näherer Betrachtung des Dilemmas ein großer Schreck: Vier Kugeln des Gegners lagen in den Pfützen näher zum Schweinchen als unsere beste Kugel – dabei ging es immer nur um wenige Milimeter bzw. Zentimeter. Statt 10 : 6 für uns nun 9 : 10 für den Gegner. So etwas tut weh. Trotzdem blieben wir im Spiel und beim Stand von 12:12 musste die Entscheidung fallen. Leider brachten wir nicht mehr die notwendige Kugel ins Ziel und so war für uns nach dieser Partie das 19. Holstentorturnier für diesen Tag beendet. Reiner und Rainer hatten zur gleichen Zeit ihre erste Partie in der KO-Runde knapp gewonnen, mussten dann aber eine Runde später auch die Segel streichen. Fazit dieses Tages: Im A-Turnier auszuscheiden ist besser als im D-Turnier auszuscheiden – hat man bis dahin doch zumindest schon mal zwei Siege auf dem Konto. Wir konnten zufrieden sein und so konnten wir uns getrost einer längeren Essenspause zuwenden.

Frisch geduscht (warm!) und durch gutes Essen gestärkt, machten sich Reiner und Walter am Nachmittag auf zum Turnierzentrum, um sich einige Spiele der Finalrunde anzusehen. Bald war auch ein Platz am carré d’honneur gefunden. direkt vor uns spielten in einer Viertelfinalpartie des A-Turniers unsere alten Bekannten Harry Khadouma und Marcello Avaria gegen ein Team aus Dänemark. Ein unterhaltsames Spiel, in dem das Duo aus dem Saarland jederzeit sicher spielte und klar mit 13 : 8 gewann. Anschließend konnten wir das Highlight des Halbfinals im A-Turnier beobachten. Steffen Kleemann und Stefan Thies spielten gegen das schwedische Team Patrik Wiik und Jonas Jakobsson, die uns schon am Nachmittag bei einer Partie gegen Sönke Backens und Jannik Schaake wegen extrem guter Schießleistungen beeindruckt hatten. Diese Halbfinalpartie erwies sich als ein Festival der Schießer. Das hatte zur Folge, dass auf dem Feld eine hervorragende Übersicht herrschte – oft waren nur ein oder zwei Kugeln auf dem Feld, der Rest war ins Aus geschossen. Absolut spektakulär war eine Aufnahme etwa in der Mitte der Partie: Steffen hatte eine gute Kugel ca. 10-15 cm rechts vor die Zielkugel gelegt. In einer solchen Partie wird da natürlich sofort geschossen. Beeindruckend: Jonas geht in den Kreis, dreht sich um und wirft. Wie schon oft an diesem Tag gesehen, gibt es bei ihm keine lange Konzentrationsphase, sondern den direkten Schuss i.d.R. mit einer sehr hohen Trefferquote. So auch in diesem Fall: Steffens Kugel wird getroffen und aus dem Feld befördert, aber Jonas‘ Kugel bleibt genau dort liegen, wo vorher Steffens Kugel lag. Lediglich einen kleinen Krater hatte der Schuss an dieser Stelle verursacht – ein lupenreines carreau sur place. Was dann folgte war allergrößtes Boule. Stefan schießt natürlich ebenfalls und trifft. Wieder bleibt die Schießerkugel im gleichem Loch liegen. Nun ist Jonas dran und lässt sich nicht zweimal bitten: wieder carreau sur place. Und Stefan setzt dem Ganzen die Krone auf, indem er mit seinem Schuss wieder trifft und liegen bleibt – viermal hintereinander ein carreau sur place im gleichen Loch. Die Tribüne tobt – zumindest für Pétanqueverhältnisse. Ganz großer Sport wurde hier geboten und mit dieser Aufnahme kam gleichzeitig die Wende zu Gunsten von Steffen und Stefan – man konnte hier sehr gut beobachten, dass solche Aktionen auch bei Top-Spielern ihre mentalen Spuren hinterlassen. In der folgenden Aufnahme schoss Jonas erstmals zwei Löcher hintereinander. Die weitere Verteidigung misslang und es folgte ein Kabinettstück aus dem Taktiklehrbuch, das nach dem Turnier in Travemünde sofort Eingang in das Ligatraining des BCR-Teams fand. Weniger zum Nachmachen – dafür fehlt uns die absolute Schießsicherheit – aber zum Nachdenken und als Anregung auch einmal an für uns ungewöhnliche Lösungsmöglichkeiten zu denken. Am Ende hieß es dann 13 : 6 für Steffen und Stefan, die Ihren Beitrag zu einem außergewöhnlichen und beeindruckenden Spiel geliefert hatten. Im nachfolgenden Finale, das wir wegen der fortgeschrittenen Zeit (warum dauern größere Pétanqueturniere nur immer bis nach Mitternacht?) nicht mehr ansehen konnten, unterlagen Steffen und Stefan dem Team Jan Garner und Martin Kuball aus Osterholz mit 13 : 8. Ein trotz des wirklich schlechten Wetters beeindruckender Turniertag war zu Ende und wir konnten uns ausruhen für Taten am Sonntag.

Bei diesen Verhältnissen am Samstag kann man verstehen, dass man lieber zu Hause bleibt. Warum müssen bei so viel Wasser vom Himmel auch noch die Springbrunnen laufen? Das ist doch vergebliche Liebesmüh Inge hatte bereits am Samstagnachmittag signalisiert, dass sie bei diesen Wetterbedingungen nicht nochmal am Sonntag nass werden und durchfrieren wollte – die Gesundheit geht dann doch vor. So wurde noch am Samstagabend Rainer Mayer anstelle von Inge für die sonntägliche Triplette-Formation bei der Turnierleitung gemeldet und bereits die erforderlichen Lizenzen hinterlegt. So war auch am Sonntagmorgen alles klar und es konnte sofort gestartet werden – bis auf ein paar Spieler, die in letzter Minute noch ihre Änderungen melden mussten. Das führte zum berechtigten Ärger über den überaus großen Änderungsaufwand bei der Turnierleitung.  Die erste Partie gegen ein dänisches Team konnten Walter, Reiner und Rainer klar und deutlich gewinnen. Trotzdem war schon hier zu sehen, dass die Sicherheit vom Vortag insbesondere bei Walter nicht mehr vorhanden war. Aber so, wie man ein Spiel nicht alleine gewinnt, verliert man auch kein Spiel alleine. Das Verlieren ereilte die Drei dann in der folgenden Partie gegen eine Mannschaft des Boule Team Rettmer. Damit ging es im B-Turnier weiter. Die erste KO-Runde führte uns gegen ein Jugendteam aus dem Kader von Niedersachsen und NRW. Diese Drei schienen sich vorgenommen zu haben, entweder im Sturm zu gewinnen oder krachend unter zu gehen – letzteres war dann der Fall: mit 13 : 1 konnte die Rheingauer / Saarländer Formation deutlich gewinnen. In der 2. KO-Runde des B-Turniers ging es wieder gegen eine der Mannschaften vom Boule Team Rettmer. Mental nicht mehr wirklich gut sortiert, spielten wir deutlich unter unseren Möglichkeiten und erhielten prompt die Quittung – Niederlage und Ausscheiden aus dem Turnier. Die deutlichen Unterschiede in den Leistungen zwischen Samstag und Sonntag werden zu denken geben, wenngleich im Boulespiel nicht ein Tag ist wie der andere.

Fazit: Travemünde 2010 war ein tolles Ereignis und wir waren mit unserem Abschneiden sehr zufrieden. Die Woche hat sehr gut gefallen, weil eben nicht nur Boule stattfand, sondern auch Zeit war für Anderes. Wir werden auf jeden Fall im kommenden Jahr wieder dabei sein, wenn es heißt: Auf zum 20. Holstentorturnier.
Um noch ein wenig Stimmung von dieser Woche und diesem Turnier in Travemünde zu verbreiten, hier eine kleine Diaschau.

PS: Nicht vergessen wollen wir natürlich die Veranstalter von der Compagnie de Boule Lübeck, die unter der Leitung von Reinhard Schwertfeger eine tollen Job gemacht haben. Für den Samstag 256 Spielfelder abzustecken, die gesamte Turnierorganisation von der Anmeldung über die Organisation des Spielbetriebs bis zum unabänderlich notwendigen Abbau durchzuziehen, bei der Verpflegung wirklich Gutes zu bieten und all das mit einer ausgeprägten Freundlichkeit – das ist schon ein ganz, ganz dickes DANKESCHÖN wert. Mädels und Jungs, Ihr habt das wirklich außerordentlich gut gemacht!