Erlebnis: Bouleurlaub in der Provence

Das Boulodrome von Carpentras während eines Turniers - da können wir uns nur voller Wehmut die Tränen aus den Augen wischen. Übrigens: Wo ein interessantes Spiel läuft, setzt man sich einfach mit dem Stuhl dazu - versuch das mal bei uns.
Nach dem erfolgreichen Ausflug in die Provence im vergangenen Jahr, machten sich auch in diesem Jahr wieder elf Boulespielerinnen und Boulespieler des Boule Club RHEINGAU auf, zu einem Urlaub mit Kultur und Boulespiel in die Heimat des Pétanque, in die Provence. Als Domizil wurde wieder die Ferienhausanlage von Arts et Vie in Malaucéne ( ca. 40 km nördlich von Avignon) gebucht. Vier Teilnehmer hatten diesmal sogar für zwei Wochen gebucht, die restlichen sieben kamen eine Woche später nach, für nur eine Woche Aufenthalt. Unser TGV steht in Frankfurt zur Abfahrt bereit - über 300 km/h auf der Fahrt hierher haben Spuren hinterlassen.
Drei Teilnehmer wählten statt der üblichen Anreise mit dem PKW ( 930 km) die seit März bestehende neue Bahn-Direktverbindung mit dem TGV von Frankfurt nach Marseille. Für die Bahnfahrt von Frankfurt bis Avignon-TGV (ein neuer Bahnhof nur für die Schnellzugverbindung) braucht man genau 7 Stunden und eine Minute. Die Spitzengeschwindigkeit zwischen Lyon und Avignon lag bei 319 km/h. „Langsam“ ist der Zug auf der deutschen Teilstrecke: max 248 km/h und relativ viele Haltestationen. Aber die Zugverbindung ist nach unserem Eindruck ein Erfolg – schließlich waren sowohl auf der Hinfahrt als auch auf der Rückfahrt nahezu alle verfügbaren Plätze besetzt. Preislich kann die Bahnfahrt auf jeden Fall mit der Autofahrt konkurrieren: 120 € für Hin- und Rückfahrt pro Person (mit Bahncard 25) ist in jedem Fall eine sehr gute Alternative gegenüber Spritkosten und Maut.

Für den Aufenthalt hatten wir nach dem unwahrscheinlichen Glück im vergangenen Jahr ( Anfang April hatten wir bereits Sommerwetter),  in diesem Jahr vorsichtshalber einen späteren Termin Mitte Mai gewählt. Die Hoffnung auf warme Frühsommertemperaturen wurde schnell enttäuscht ( jedenfalls in der zweiten Woche): ein kräftiger, kalter Wind aus Nordost sorgte bei strahlendem Sonnenschein dafür, dass man die Frontpartie vor Sonnenbrand schützen musste, während man auf der rückwärtigen Seite kräftig fror. Das Wetter hielt die ganze Woche und erst am Samstag ließ der Wind nach und es gab das Wetter, was man eigentlich erwartet hatte.

Die Okerfelsen bei Roussillon - einfach nur beeindruckend! Im Sightseeingprogramm war der Höhepunkt die Besichtigung der Okerfelsen bei Roussillon. Ein absolut beeindruckendes Farbenspiel verbunden mit einer durchaus mühsamen Rundtour. Auch die Fahrten über die engen und kurvigen Straßen im Gebirge des Vocluse stellte Anforderungen nicht nur an die Fahrer sondern teilweise auch an die Standfestigkeit der Mitfahrer. Aber die Landschaft ist absolut beeindruckend und durch die klare Sicht, eine Folge des windigen Wetters, mit einer überwältigenden Fernsicht – die Alpen zum Greifen nah!

Natürlich wurde auch Boule, oder besser: Pétanque gespielt – das war schließlich der Hauptzweck der Reise. Die 4-köpfige Vorhut hatte bereits alle Turnierermine der Umgebung ausgekundschaftet. Das WarmUp am Montag auf dem Insidern bekannten Platz an der Quelle oberhalb von Malaucéne gab einen ersten Eindruck von dem, was uns erwartete. Am Dienstag nach dem unverzichtbaren Besuch des Marktes in Vaison la Romaine am Nachmittag das für uns inzwischen zum Standard gewordene Turnier in Beaumes de Venise. Dort konnten wir auch Klaus Mohr begrüßen, der zu einem kurzen Zwischenstop eingetroffen war, um am Folgetag zur Deutschen Meisterschaft im Doublette weiter zu reisen. Zur großen Freude unserer Gruppe konnte Gisela mit ihrem französischen Partner noch einen tollen Sieg gegen Klaus und Partner einfahren ( Sorry Klaus, aber das sind halt die kleinen Freuden in einer ansonsten ehr als Lehrstunde laufenden Woche). Für Gisela bedeutete das gleichzeitig ihr erstes Preisgeld in diesem Turnier. Überraschend für Erstbesucher dieses Turniers: Start um 15:00 Uhr (pünktlich!!!) und gegen 17:30Uhr zeichnete sich bereits das Ende ab, da nur noch eine Partie lief. Der Grund: zuerst wird sehr viel schneller gespielt als üblicherweise bei  uns; keine langen Diskussionen oder Platzbegehungen. Wenn man dran ist, geht man in den Kreis und tut, was zu tun ist – fertig. Außerdem wird grundsätzlich A-B-KO gespielt. Das bedeutet, dass die nächste Partie im Spielbaum sofort gespielt werden kann und wird, sobald beide Gegner feststehen. Eine Cadrage, bei der wenige Teams spielen und viele Teams warten müssen, nur um das Teilnehmerfeld auf eine 2er-Potenz herunter zu spielen, gibt es hier nicht. So kann es vorkommen, dass vor dem Halbfinale nur noch drei Teams im Rennen sind und somit ein Team per Freilos ins Finale käme. Grundsätzlich ist das aber hier für niemanden ein Problem, schließlich ist es egal, ob in einer Cadrage zehn Teams per Freilos eine Runde weiter kommen, oder am Ende eins. Außerdem haben wir in dieser Woche nicht ein Turnier erlebt, bei dem das Finale ausgespielt wurde. Sind also nur noch drei Mannschaften zum Halbfinale übrig, wird einfach das Preisgeld geteilt und fertig. So kann man bei jedem Turnier, auch wenn es erst um 15:00 Uhr beginnt, beruhigt für die abendliche Fussballübertragung im Fernsehen planen – es reicht sogar noch für eine gemütliche Rückfahrt. Bei Turnieren in Deutschland undenkbar – warum eigentlich? Wir wollen es demnächst einfach mal versuchen.

Ein wesentlicher Grund für diese sehr viel lockerere Sicht der Dinge könnte sein, dass morgen wieder ein Turnier stattfindet, in Carpentras, in Vaison la Romaine oder in Bedoin, bei dem man eine Vielzahl der Spieler von heute wiedersieht, nur in anderen Formationen, weil das Zusammenlosen zu einer Melée-Formation hier die Regel ist. Inzwischen erträgt man es auch mit Fassung, wenn man mit einem „Allemand“ zusammen gelost wird (manche von denen spielen ja gar nicht schlecht – reicht zwar nicht an die einheimischen Kollegen heran, aber ab und zu ist doch ein „Bravo“ oder ein „bien joué“ zu hören). Ab und an ist dann sogar eine(r) von uns im Preisgeld (sehr zur Freude derer, die am Siegtrunk teilhaben) aber meist bleibt nur die Feststellung „Nous avons perdu“. So bleibt als Trost: Ein guter Pétanquespieler muss als Erstes lernen, mit Fassung zu verlieren – und dazu hat man hier in der Tat genug Gelegenheit. Vier besuchte Turniere von Dienstag bis Samstag – davon können wir hier nur träumen; vom dem, was wir dort an Spielqualität gesehen haben, allerdings auch. So nehmen wir mit: Es wird schwer sein, den spielerischen Vorsprung der französischen Spielerinnen und Spieler aufzuholen, aber am besten fangen wir gleich an, intensiv zu üben!