Gelungener Auftakt für Projekt „Boulescheune Nothgottes“


Mit dem Integrationsprojekt „Gemeinsames Boulespiel von Menschen mit und ohne Behinderung “ schließen der Boule Club RHEINGAU und das St. Vincenzstift den Kreis zur Entstehung des Pétanquespiels in Südfrankreich vor gut 100 Jahren. Jules Le Noir konnte wegen eines Rheumaleidens nicht mehr beim Jeu Provencal, bei dem die Kugel mit einigen Metern Anlauf geworfen wird, mitspielen. Mit seinen Spielkumpeln wurde verabredet, fortan die Kugel in einem Kreis mit geschlossenen Füßen (französisch „pied tanqués“) stehend zu werfen. Dies war nicht nur die erste Integration eines Behinderten in den Pétanquesport, sondern gleichzeitig die Erfindung eines Welterfolgs. Ein Spiel das nach Schätzungen des Deutschen Pétanque Verbands (DPV) in Deutschland inzwischen von mehr als 1 Million Menschen gespielt wird.

Pétanque, in Deutschland vereinfachend  „Boule“ genannt, wird auch im Rheingau schon seit vielen Jahren gespielt. Der im Jahre 2008 gegründete Boule Club RHEINGAU hat es sich zur Aufgabe gemacht, mehr Menschen an dies oft nur als Freizeitspaß gesehene Spiel heranzuführen. Durch spezielle Kurse werden Anfänger in die Technik des Spiels eingeführt. Bei regelmäßigen Bouletreffs zwischen Rüdesheim und Walluf kann man dann an jedem Tag der Woche irgendwo im Rheingau Boule (oder Pétanque) spielen. Dabei bietet der Boule Club das Spiel als kostengünstiges Freizeitvergnügen ebenso erfolgreich an, wie als Leistungssport mit derzeit zwei Ligateams. Die 1. Mannschaft des Boule Club RHEINGAU spielt nach zwei Aufstiegen in drei Spielzeiten in diesem Jahr immerhin in der zweithöchsten Ligaklasse in Hessen. Einerseits erfordert ein erfolgreiches Spiel der Ligamannschaften auch ein Training während der Winterzeit, andererseits ist das bisher auch im Winter betriebene Spiel der Freizeitbouler wirklich nur etwas für ganz Hartgesottene.

Deshalb wurde bereits seit vielen Jahren von den Rheingauer Boulespielern ein geeignetes Winterdomizil gesucht. Eine alte Scheune oder eine leer stehende Halle – egal, Hauptsache Schutz vor Eis, Schnee und frostigem Wind.

Bart King, Mitglied im Boule Club RHEINGAU und beruflich als Erzieher und Gruppenleiter im St. Vincenzstift tätig, brachte im vergangenen Herbst die Information mit, dass die ehemals als „Kulturbeutel“ genutzte Scheune des Hofgut Nothgottes seit Jahren nicht mehr genutzt wird und leer steht. Bei einer Besichtigung im November zusammen mit dem Vereinsvorsitzenden Walter Weishaupt, wurde festgestellt, dass die Scheune nicht nur in einem sehr guten Zustand ist, sondern dass die Spielfläche mit geringem Aufwand und ohne bauliche Veränderungen hergerichtet werden kann. Die Idee, den vorhandenen Betonboden durch eine dünne Auflage von Split als Rollbremse als Spielfläche herzurichten, hatte man vom Besuch eines Championturniers in Wissembourg (Elsass) mitgebracht.

In dem Gespräch mit den Verantwortlichen der St. Vincenzstift gGmbH, wurde nicht nur die Notwendigkeit eines Winterquartiers für die Boulespieler vorgetragen, sondern auch die Chance für eine Integration der Bewohner des St. Vincenzstifts  entwickelt. So berichtete Lothar Schöbinger, stv. Leiter des Bereiches Wohnen Erwachsene, während der offiziellen Eröffnung der Boulescheune: „Das vom Boule Club vorgetragene Konzept einer Heranführung und Integration behinderter Menschen war absolut überzeugend und deckt sich voll mit den Integrationskonzepten des St. Vincenzstifts.“ So kündigte Bart King in seiner kurzen Rede zur Eröffnung der Boulescheune an, dass unter der Leitung des auch als Ausbilder und Trainer im Boule Club tätigen Walter Weishaupt, bereits ab sofort, freitags ab 14:30 Uhr,  Einführungskurse speziell für Bewohner und Mitarbeiter des St. Vincenzstifts durchgeführt werden. Für weiteres Spielen und Üben steht zumindest bis Ende März der direkt im Anschluss stattfindende normale Bouletreff des Boule Clubs in der Boulescheune offen. Ende März endet offiziell die Wintersaison und damit die regelmäßige Hallennutzung. Für die Zeit danach wird für die Freiluftsaison nach einer Lösung gesucht, die auch dem Mobilitätsaspekt Rechnung trägt.

Nach erfolgreichem Kugelwerfen ist eine Pause verdient. Auch dafür gibt es in der Boulescheune ausreichend Platz. Wie groß die Begeisterung unter den bei der Eröffnung in großer Zahl anwesenden Bewohnern aus den Außenwohngruppen des St. Vincenzstifts ist, konnte man in einem einstündigen freien Spiel nach der Eröffnungsansprache und vor einem danach geplanten Eröffnungsturnier direkt erleben. Die Grundvoraussetzung für erfolgreiches Boulespiel ist ein gutes Auge für die Einschätzung von Entfernungen und eine präzise Umsetzung in die zum Kugelwurf notwendige Arm- und Handbewegung. Mit Unterstützung der spielerfahrenen Mitglieder des Boule Clubs wuchs das Erfolgserlebnis beim Rollen und Klacken der Eisenkugeln sehr schnell. Der erfahrene Beobachter konnte auch hier, wie bei jedem anderen Boulespiel irgendwo auf der Welt, sehr schnell einige Naturtalente ausmachen, die bei entsprechender Anleitung und dem schon abzusehenden Trainingsfleiß sehr bald zu ernsthaften Mitspielern bei den regelmäßigen Bouletreffs werden könnten.

Die strahlenden Gewinner des Eröffnungsturniers (v.l.): Bart, Albrecht, Christel, Steffen, Reiner und Daniel. So wurde die Eröffnung der Boulescheune Nothgottes am Samstag zu einem Fest für alle Beteiligten. Die Vertreter des St. Vincenzstifts freuen sich mit ihren Bewohnern über ein neues interessantes Angebot, die Mitglieder des Boule Clubs und alle Rheingauer Boulespieler freuen sich über eine tolle Spielstätte während der Winterzeit. Gefreut haben sich aber auch Reiner Kitzmann und Daniel Weinert über ihren Sieg im A-Finale des Eröffnungsturniers gegen Albrecht Höhle und Steffen Kitzmann. Eine Magnumflasche Sekt war der Siegerpreis. Mit einer Normalflasche Sekt wurden die Gewinner des B-Finals, Christel Stoll und Bart King belohnt. Eine reichhaltige Auswahl von den Mitgliedern selbst gebackener Kuchen fand großen Anklang und so wurde der Nachmittag auch in dieser Hinsicht zu einem bemerkenswerten Erlebnis.